Jens Willebrand

Shortlist BDA Architekturpreis Rheinland-Pfalz 2009

Brauhaus „Goldener Engel“

Ingelheim

Jens Willebrand

Brauhaus „Goldener Engel“

Ingelheim
Projekt
Brauhaus "Goldener Engel"
Architekt
Arbeitsgemeinschaft Hille / Franken Architekten BDA
Bauherr
Brauhaus Goldener Engel KG

Braukultur und Ritualraum
Ein Brauhaus in Rheinhessen – das klingt nach Sushi in Passau. Doch dieser nahe liegende Schluss ist nicht ganz richtig, schon die auf dem anderen Rheinufer gelegene Zisterzienserabtei Kloster Eberbach verfügte über ein aus der Barockzeit stammendes Brauhaus. Dessen auf zwei soliden Mittelpfeilern lastendes Kreuzgratgewölbe lässt eher an ein Kirchenschiff denken als an eine Fabrikationsstätte. Dieses Spannungsfeld zwischen dem Erhabenen der Sakralarchitektur und dem Profanen der Braukultur, gleichzeitig zwischen Tradition und Moderne, nutzt der Neubau des Brauhauses Goldener Engel in Ingelheim.

V-Form schützt und öffnet sich zur Natur
Die Gebäudegrundform beschreibt ein V. Die beiden Schenkel des V umschließen einen Innenhof, der sich nach Westen zur Abendsonne und zu einem unverbaubaren Naturschutzgebiet hin orientiert. Die holzbeplankte Terrasse im Innenhof ist geschützt gegen den Strassenlärm im Süden und der noch entstehenden Gewerbebebauung im Norden. Der Südflügel des Gebäudes beinhaltet den Hauptgastraum, der Nordflügel einen Veranstaltungssaal und die Basis des V´s Zugang und Küche. Die tiefliegenden Gewände erzeugen im Inneren durch ihr Spiel von Licht und Schatten und ihre deckenhohe Ausbildung Assoziationen zum Sakralbau. Der Innenhof wird zum arkadengesäumten Kreuzgang. Durch die V Form und bewusst eingesetzte perspektivische Öffnungen ergeben sich zahlreiche Durchblicke durch mehrere Fassadenebenen hindurch.

Wenn sonst die Vorortgebiete unserer Städte meist durch sinnentleerte Gewerbekisten geprägt sind, macht das Brauhaus „Goldener Engel“ deutlich, dass auch in diesem Umfeld durch die geschickte Anordnung von Gebäuden oder Gebäudeteilen Räume entstehen können, die eine eigene Identität bieten und durchaus zum längeren Verweilen einladen.

Fassadenband mit musikalischem Öffnungsmuster
Die offenen Flanken des gefalteten Bandes werden mit einem Fassadenband geschlossen. Die historische Architektur mit dicken Mauern und mit Gewänden eingefassten Fenstern wird in moderner Weise interpretiert. Das Gebäude wird von einem umlaufenden Fassadenband umwickelt. Schlitze in dieser Fassade vom Boden bis zur Decke werden nach einem regelbasiertem Prozess platziert. Ihre Breite ergibt sich aus dem durch das gastronomische Programm definiertem Lichtbedarf. Die Fassade kann als Partitur eines Musikstücks gelesen werden, in dem die Tonhöhe durch die Schlitzhöhe, die Tonlänge durch die Schlitzbreite und der Rhythmus durch die Schlitzabstände definiert wird. Hier schließt sich der Kreis zu den antiken Tempeln in Athen, deren Säulenordnung nach harmonischen Prinzipien konzipiert wurde und zu den Fassaden der Renaissance nach Zahlenproportionen bei Alberti. Im Brauhaus variiert die Wandgestaltung von der vollflächigen Schließung über die Lochfassade bis zur Säulenarkade.

Inszenierung des Brauprozesse
Schon nach außen zur Strasse werden die kupfernen Braukessel für die vorbeifahrenden Fahrzeuge durch die Lichtschlitze zum Blickfang. Die Reihung der Edelstahllagertanks setzt diesen Effekt fort. Im Inneren sind alle Stationen des Brauprozesses von der Malzmühle auf der Galerieebene über das Sudhaus, die Lagerkessel bis zum Zapfhahn für die Besucher erlebbar.

Shortlist

BDA Architekturpreis Rheinland-Pfalz 2009 – Engere Wahl