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NACHBERICHT: Kreativräume & Stadtentwicklung – Status Quo Köln / Welchen Wert hat Kultur für eine Stadt?

8. März 2023

Der Saal war voll, das Thema brennt. Der hohe Druck auf den Kölner Immobilienmarkt verdrängt immer mehr Kulturschaffende und Kreative aus ihren Wirkstätten. Projekte, die neue Räume im Bestand schaffen wollen, wie die Hallen Kalk oder das Otto & Langen Quartier, kommen nicht vorwärts. Wie können Kreativräume in die Stadtentwicklung eingebunden und langfristig gesichert werden? so lautet die Frage des Abends.

v.l.: Andrea Bachmann, Vorstand BDA Köln; Niklas Kienitz, CDU, stellv. Vorsitzender Stadtentwicklungsausschuss Köln; Benjamin Thele, Kulturraummanagement Stadt Köln; Burkard Dewey, Dewey Muller Architekten Stadtplaner, Köln; Bertram Schultze, MIB Coloured Fields GmbH, Leipzig; Anja Kolacek und Marc Leßle, Initiative raum13, Köln


Defensiv reagierend

Zunächst einmal: Wir wissen, wo wir stehen, und auch was wir tun müssen – zumindest theoretisch. Denn das alles steht in der vor drei Jahren für die Stadt Köln erstellten „Studie zur Integration von Kreativräumen in der Stadtplanung“, die der Architekt und Stadtplaner Burkard Dewey vorstellt. Ein interkommunales Arbeitstreffen zwischen Köln und Hamburg im Jahr 2019 sowie Telefoninterviews mit Ämtern aus Berlin, München und Frankfurt am Main bildeten die Grundlage für die Studie. Zur Ausgangssituation formuliert sie unter anderem: „Die bisherigen Maßnahmen von Politik und Stadtverwaltung im Umgang mit der Problematik sind eher defensiv reagierend als proaktiv“.

Die Studie empfiehlt der Verwaltung 24 Maßnahmen und Instrumente zu fünf Bereichen: zur Liegenschafts- und Stadtentwicklungspolitik, zur Integrierten Planung und der Bauleitplanung, zur internen und externen Kommunikation, zur Organisation und Vernetzung von Kreativen und zur Bereitstellung von Räumen und deren Förderung. „Es steht ja schon alles darin, jetzt muss man nur noch machen,“ resümiert Andrea Bachmann vom Vorstand BDA Köln.
Eine, die das gerne täte, nämlich endlich machen, ist Anja Kolacek von der Initiative raum13 / Kolacek & Leßle, die sich seit vielen Jahren für eine gemeinwohlorientierte Zukunft des Otto & Langen Quartiers im Rechts-rheinischen Köln einsetzt. Hier handelt es sich um ein sechs Hektar großes Areal in Köln-Mülheim, auf dem die erste Gasmotorenfabrik der Welt entstand und der Ottomotor von hier aus seine Reise um die Welt antrat. Vor etwa einem Jahr hat die Stadt Köln das Gebäude der Hauptverwaltung erworben, weitere Flächen gehören dem Land Nordrhein-Westfalen. Seitens der Stadt Köln gibt es einen Beschluss, dass die von raum13 erarbeiteten Konzepte Ankerpunkt für die weitere Entwicklung sein sollen. Doch die Türen bleiben verschlossen, seit der Voreigentümer der Initiative kündigte und diese mit Sack und Pack ausziehen musste. Die Verwaltung begründet ihr Handeln mit liegenschaft-lichen und bauordnungsrechtlichen Hindernissen.

Abb.raum13
Abb.raum13

Kolaceks Anliegen ist aber nicht nur der Umgang mit der Verwaltung. Es sei tiefgreifend etwas missverstanden worden, wenn man Kunst und Kultur nur als „Unterhaltungsclown“ verstehe. Sie will das über zehn Jahre lang mit Partnern, Unterstützern und bürgerschaftlichem Engagement Erarbeitete als Entwicklung angesehen wissen: „Das ist praktische und ernsthafte Stadtentwicklung. Kulturlos ist, wenn man uns dann sagt, aus dem Weg, ihr Traumtänzer, jetzt kommen wir, die Realisten, und wir entwickeln das“. Die Frage sei nicht, wie Kunst und Kultur in die Stadtentwicklung einzubinden seien, aus ihrer Sicht geht es vielmehr umgekehrt darum, welchen Wert die aktuelle Stadtentwicklung für unsere Kultur noch hat.

Lehrstück in Leipzig

Was diesen Aspekt angeht, läuft es in Leipzig ziemlich gut. Aus dem Jammertal der „shrinking city“ heraus, ist die Stadt zu einem anziehenden Ort für junge Leute geworden. Das hat viel mit einem Leipziger Unternehmen zu tun, das sich der Transformation von „brownfields“ zu „coloured fields“ verschrieben hat, also von Industriebrachen zu blühenden Landschaften. Mit der Spinnerei in Leipzig fing es für Bertram Schultze, Gründer der Coloured Fields GmbH an, er hatte dort schon eine Werkstatt bezogen, als auf einigen Flächen noch produziert wurde. Im Jahr 2000 kam die Liegenschaft auf den Markt. „Wir haben sie dann mit einigen Freunden gekauft, weil wir einfach fasziniert davon waren,“ so Schultze. Die Mieterstrukturen wurden mit gekauft, auf dem Areal hatten auch schon u.a. Künstler der Neuen Leipziger Schule Räumlichkeiten als Ateliers bezogen.

„Die Spinnerei ist und war in den letzten 15 Jahren einer der großen Motoren der Stadtentwicklung in Leipzig“, sagt Schultze. Sie zieht Besucher:innen und junge Neubürger:innen gleichermaßen in die Stadt und ist zum Studienobjekt für andere Kommunen geworden, die ebenso aufgelassene Areale auch mit einer gezielten Ansiedlung von Künstlern neu entwickeln wollen. Auch der Matadero in Madrid, ein Zentrum für Kultur und künstlerisches Schaffen, mit Ausstellungen, Konzerten, Theater und Kino ist ein Beispiel für gelungene Revitalisierung und Stadtentwicklung. „Bei solchen Entwicklungsmaßnahmen ist es einfacher, Eigentümer der Liegenschaft zu sein und die Richtung vorgeben zu können,“ fasst Schultze seine Erfahrungen zusammen. „Ich will gar nichts gegen das Partizipative sagen, aber es weckt auch viele Partikular-interessen, und ich habe zahlreiche solcher Modelle gesehen, die nicht funktionieren“.

Coloured Fields GmbH
Coloured Fields GmbH

Die Spinnerei Leipzig heute: Künstler als Vorläufer der Revitalisierung, es folgten Galerien, Unternehmen und Startups. Seit über 15 Jahren strahlt die Spinnerei auf internationaler Bühne positiv für Leipzig und ist maßgeblich für den Boom dieser Stadt verantwortlich.

Die Kruste durchbrechen

In Köln gibt es viele engagierte Leute mit Ideen und Konzepten zur Kultur-raumentwicklung, die mit ihren Projekten seit vielen Jahren in der Warteschleife hängen. Die Kruste durchbrechen helfen will Benjamin Thele, Leiter der neuen Stabsstelle Kulturraummanagement der Stadt Köln, die maßgeblich entstanden ist aus dem ämterübergreifenden Prozess heraus beim Erstellen der schon genannten Studie. Thele hat eine lange Liste operativer und strategischer Aufgaben, bei der Podiumsdiskussion zeigt er sich optimistisch: „Ich wünsche mir, mit der Stabsstelle eine Relais-Funktion einnehmen zu können zwischen Kunst- und Kulturszene, Politik und Verwaltung. Wir haben jetzt ein gutes Momentum mit einer positiven Stimmung in der Szene, dass es nun diese Stelle gibt, und es kommen ebenso positive Signale aus der Verwaltung“.

Neben ihm sitzt Niklas Kienitz (CDU), der stellvertretende Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses, er teilt zum Thema Ämterzusammenarbeit mit: „Um den Austausch weiter auszubauen, soll ein dauerhafter Arbeitskreis Kultur innerhalb der Ämter stattfinden.“ Aus seiner Sicht seien Politik und Stadtverwaltung aus der abwartenden Haltung, die die Studie konstatierte, herausgekommen, als Beispiel dafür nennt er den angekauften Kulturbaustein Helios in Köln-Ehrenfeld.

Für Thele ist es noch verfrüht, darüber zu diskutieren, mit welchen Instrumenten Kulturräume entstehen und geschützt werden können, denn zunächst müsse man erst einmal die notwendigen Kommunikationsstrukturen schaffen, um Projekte gemeinschaftlich stemmen zu können. „Wir brauchen einen Neustart, die neue Stabsstelle sieht sich in der Funktion als Übersetzer zu arbeiten.“

Daran knüpft sich die Hoffnung, dass sehr bald auch im Otto & Langen Quartier weitergearbeitet werden kann, wo nach den Vorstellungen von raum13 ein Symbol für eine andere Art von Stadtentwicklung entstehen soll. Der Mitbegründer dieser Initiative, Marc Leßle, formuliert in seinem Schlussplädoyer: „Wenn Künstler wirtschaftlich arbeiten wollen, dann sollte man sie ernst nehmen und sie nicht als Gegenseite sehen, sondern als Menschen, mit denen man zusammenarbeiten will, als Subjekte und als handelnde Wesen. Das sollte man erkennen, als Stadt und als Stadtentwickler.“
„Relais“ sein, so eine der Aussagen des Abends, soll die neue Stabsstelle: ein Schalter also, der die Ströme fließen lässt. Es wäre zu wünschen, damit endlich gemacht werden kann.


gez. Ira Scheibe

Und hier noch ein Link zum Nachhören des ganzen Montagsgesprächs:
https://youtu.be/73enMi1DN14