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OFFENER BRIEF ZENTRALBIBLIOTHEK KÖLN

22. Februar 2023

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Reker,

mit Entsetzen und Unverständnis verfolgen wir, der Kölner Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA Köln, die Presseberichte zur Debatte um die Sanierung der Zentralbibliothek. Wobei es unserer Meinung nach zutreffender wäre, diese nicht als Debatte zu bezeichnen, sondern als „Kampagne zugunsten des Abbruchs der bestehenden Bibliothek“.

Unser Entsetzen speist sich aus diversen Aspekten, die ich nachstehend ausführen möchte:

Die Stadt Köln hat sich die Klimaneutralität bis 2035 zum Ziel gesetzt, das Land NRW bis 2045. Um diese zu erreichen, ist es unter anderem notwendig, das Neubauvolumen drastisch zugunsten von Sanierung und Umbau zu reduzieren. Vergleichende Betrachtungen zeigen sehr eindeutig, dass selbst auf sehr lange Sicht (Lebenszyklus eines Gebäudes) ein Energieplus-Haus im Vergleich zu einer Umbau- und Sanierungsmaßnahme die schlechtere Gesamtenergiebilanz aufweist. Dies aufgrund des geringeren CO2 Verbrauchs (Umbau erfordert weniger Energieeinsatz, dieser gemindert um die ersparte, im Bestand gebundene Energie) im Vergleich zum Neubau (CO2-Emissionen für Neubau zuzüglich der im abgebrochenen Gebäude gebundenen Energie), sowie aufgrund des Zeitfaktors, der im Falle eines Umbaus zu einem früheren Zeitpunkt zu einer CO2-Einsparung führt. Ein wichtiger Aspekt vor dem Hintergrund der ehrgeizigen Terminsetzungen. Auch ist zu erwarten, dass sich die Förderkulisse in Zukunft, aufgrund der politischen Beschlusslage, zugunsten von Umbau und Weiternutzung verschieben wird. Aufgrund dieser Aspekte scheint die aktuelle Debatte völlig aus der Zeit gefallen, sie wirkt vorgestrig.

Die angeführten technischen Aspekte sind aus Sicht der Architektenschaft nicht nachvollziehbar. Es ist schlicht unsinnig, die Probleme des Kölner Opernhauses mit der 20 Jahre später, 1979 fertiggestellten Bibliothek zu vergleichen. Dies aufgrund der Tatsache, dass die baulich-konstruktive Qualität in der Entstehungszeit der Bibliothek ungleich höher war als zum Zeitpunkt des Opernhaus Neubaus. Auch die technische Komplexität ist nicht vergleichbar; die Zentralbibliothek ist vergleichsweise minderkomplex, heute erforderliche Raumvolumen für Gebäudetechnik sind in größerem Umfang bereits vorhanden, die statischen Anforderungen sind im Wesentlichen bereits erfüllt.

Dies alles sind Binsenweisheiten für jede*n mit derartigen Bauaufgaben vertrauten Architekt*in. Daher drängt sich leider der Eindruck auf, das Gebäude soll vermittels unsachlicher Argumentationen „kaputtgeschrieben“ werden.

Auch der Argumentationsstrang der „fehlenden Schönheit“ läuft ins Leere, denn er ist in Bezug auf die Zentralbibliothek kritisch zu hinterfragen, hier ändert sich gerade die Sichtweise zugunsten ihrer ästhetischen Qualitäten. Auch würde er, wenn man ihn konsequent weiterdenkt, zu dem Abbruch von einer großen Anzahl von Gebäuden, selbst aus jüngster Vergangenheit, in Köln führen. Dies nicht zuletzt auch in direkter Umgebung der Bibliothek.

Die weiterhin ins Feld geführte Unwirtlichkeit des Josef-Haubrich-Hofes dagegen leuchtet unmittelbar ein. Nur, statt über Abbruch und Neubau der Bibliothek oder gar über den Neubau eines Verwaltungszentrums an dieser Stelle zu spekulieren, gilt es aus Sicht des BDA-Köln, die vorhandenen, großen Potentiale des Ortes zu nutzen, um die unbestrittenen Defizite ins Positive zu wenden. Ziel wäre das Kulturquartier Josef-Haubrich-Hof, gebildet aus den am Ort etablierten wichtigen Institutionen, miteinander verbunden durch einen attraktiven und belebten öffentlichen Raum. Im zweiten Schritt könnte ein ergänzendes Bauwerk (Café, Veranstaltungsangebot, digitaler Zeitungslesesaal etc.) die niederschwelligen Angebote von Bibliothek und Volkshochschule flankierend ergänzen. Dieses wäre der Mittler, der die Institutionen zu einem angeregten Gespräch über den Platz hinweg ermuntert.

Besonders unverständlich erscheint der Ruf nach einer zeitgemäßen Bibliothek, denn genau diese hat die vorliegende, weitestgehend abgeschlossene Umbau-Planung zum Ziel. Man muss jetzt eigentlich nur noch beauftragen und bauen.

Außerordentlich fatal an dieser die Fakten ignorierenden Pseudodebatte ist, dass die engagierte und erfolgreiche Kulturarbeit an diesem schwierigen Standort fahrlässig (oder mit Vorsatz?) desavouiert wird, ungeachtet anders lautender Beteuerungen. Sie ist eine Ohrfeige für das Bibliotheksteam, dessen verdienstvolle Arbeit überregional anerkannt wird, wie die diversen Auszeichnungen belegen. Es erfährt von diesen Überlegungen, vorgeblich zu ihrem Besten, aus der Lokalpresse.

Als Kollateralschaden dieser Phantomdebatte ist zu beklagen, dass das Vertrauen der Bürger in rationales, verantwortliches und zielgerichtetes Handeln von Verantwortlichen in Politik und Verwaltung weiter erschüttert wird – eine Debatte die vermeintliche, strukturelle Schäden eines sehr gut funktionierenden Gebäudes aufwiegt zugunsten eines großartigen, neuen Bibliotheksgebäudes, das es nicht gibt und dessen Realisierung, wenn denn ein besser geeigneter Standort hierfür zu finden ist, danach noch mindestens 10 Jahre in Anspruch nehmen würde.

Daher fordert der Kölner BDA Politik und Verwaltung der Stadt Köln auf:

  • die auf gefassten, politischen Beschlüssen basierende Planung für eine „neue Bibliothek im bestehenden Gebäude“ so zügig wie möglich umzusetzen
  • bis zur Wiedereröffnung der Bibliothek ein bauliches Konzept erarbeiten zu lassen, welches diese für Köln und die Region außerordentlich wichtigen Kulturinstitutionen über den Josef-Haubrich-Platz hinweg ins Gespräch bringt. Dies bedeutet, einen räumlichen Ausdruck für das niederschwellige Kultur- und Bildungsangebot zu finden, um den kulturellen Hotspot Haubrichhof, seiner Bedeutung gemäß als herausragendes, städtisches Forum zu gestalten.

Köln, 9.2.2023

Reinhard Angelis
Vorsitzender BDA Köln