Themen

,

Nachbericht: SCHULORTE FÜR MORGEN

1. Dezember 2022

von links: Stefan Kuger, Nassauische Heimstätte Wohnungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH; Oliver Braun Architekt BDA, A+R Architekten, Stuttgart; Jochem Schneider, Planer SRL DASL, Köln; Barbara Pampe, Architektin, Vorständin Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft, Bonn; Stefanie Ruffen, FDP, MdR Köln, Vorsitzende des Bauausschusses; Erich Pössl Architekt BDA, Vorstand BDA Köln; Foto: Elke Beccard

Neue Schulen braucht die Stadt Köln! und zwar fast 50 Gebäude in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren. Wie kann es gelingen, fragt der BDA Köln, diesem hohen Bedarf an öffentlicher Bautätigkeit quantitativ gerecht zu werden und gleichzeitig qualitative und stadtbildprägende Bauten für die Schulorte von morgen zu schaffen? An diesem Abend vorgestellte Beispiele werben für eine ordentliche Vergabekultur für zukünftige Projekte.

Pädagogische Architektur

Was kennzeichnet gute Orte für eine zeitgemäße Bildung? Eine gute Adresse für Erkenntnisse zum Zusammenhang von Pädagogik und Architektur ist die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft in Bonn, die schon seit Jahren Grundlagenarbeit in diesen Themenfeldern betreibt. Ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit schon realisierten Projekten weiterzugeben, ist ein zentrales Anliegen dieser Stiftung, wie die Vorständin Barbara Pampe in ihrem Vortrag aufzeigt. An einem Projekt in Weimar wird die Vorgehensweise exemplarisch erläutert; weitere Projekte werden folgen (www.schulbauopensource.de).

Montagstiftung Jugend und Gesellschaft, Bonn
Montagstiftung Jugend und Gesellschaft, Bonn

Pampe differenziert vier Ebenen für neue Impulse im Schulbau: Kommunale Leit- und Förderrichtlinien sind zu aktualisieren, ebenso wie Planungsprozesse, die um eine Phase Null für die Weichenstellung im Projekt und eine Phase 10 für das Aneignen des räumlichen Angebots und Entdecken der räumlichen Potentiale ergänzt werden. Typologien verändern sich von der Flur- zur Clusterschule oder auch anderen Modellen. Und schließlich gilt es, veraltete Standards und Regularien für Gebäudeklassen zu überarbeiten, die dem Ausprobieren neuer Lernformen im Wege stehen. Mit ihrem Vortrag möchte sie Mut machen: „Wir haben zwar Aufgaben auf vielen Ebenen vor uns, aber es gibt schon eine ganze Reihe vorbildlicher Projekte in Deutschland.“

C.F. Møller, Kopenhagen
C.F. Møller, Kopenhagen

Gute Prozesse – gute Projekte

In Kassel, zum Beispiel. Darüber berichtet Jochem Schneider, Gründer von bueroschneidermeyer in Köln, ein Planungsbüro, mit dem er bisher etwa 50 Schulbauprojekte begleitet hat. Kasseler Schulen traten 2017 in den Streik, die Stadt reagierte und startete Pilotprojekte für die Schulsanierungen. Dazu gehört die Gesamtschule Offene Schule Waldau, die das Prinzip „Beziehung vor Erziehung vor Unterricht“ verfolgt und den Lernenden „Heimat im Jahrgang“ bietet. Bis zur Sanierung der Schule waren die Schüler:innen auf unterschiedliche Pavillons verteilt.

In der Phase Null entwickelten die Schul-Beteiligten die Raumbedarfe für die Lerncluster und die Sonderbereiche. Im März 2022 gewannen C.F. Møller Architekten aus Kopenhagen den Wettbewerb. Es wird ein Gebäude mit einem verbindenden Luftraum über drei Etagen mit jeweils separaten Eingängen für die Schule, die Stadtteilbibliothek und das Jugendzentrum entstehen. Die Gemeinschaftsfunktionen der Schule sind im Erdgeschoß angesiedelt, darüberliegend die nunmehr ineinander übergehenden Jahrgangscluster. „Wir müssen keine Angst haben vor der Komplexität der Aufgabe, sondern uns ihr stellen – mit guten Prozessen für gute Projekte,“ plädiert Schneider.

C.F. Møller Architekten, Kopenhagen
C.F. Møller Architekten, Kopenhagen

Not macht erfinderisch

Dass in Frankfurt am Main bald ein Hybridgebäude mit einer Grundschule steht, verdankt sich nicht sorgfältiger Vorüberlegungen, sondern eher einem Planungsunfall. Die Wohnungsgesellschaft Nassauische Heimstätte (NHW) und Instone Real Estate kauften 2015 das ehemalige Siemens-Areal im Westen der Innenstadt und entwickeln es zum „Schönhofviertel.“ Stefan Kuger von der NHW schildert den schwierigen Weg zum städtebaulichen Entwurf; die BGF der Baufelder waren schon ausgerechnet, „als plötzlich klar wurde, dass wir zu wenig Schulplätze hatten.“ Wo der Fehler entstanden war, ließ sich nicht abschließend klären – jedenfalls musste in die schon abgestimmten Flächen eine Schule eingepasst werden. Die Wahl fiel auf zwei zentrale Baufelder; den dazu ausgelobten Wettbewerb gewannen A+R Architekten aus Stuttgart: „Sie waren die Einzigen, die eine horizontale Hybridlösung vorschlugen. Überzeugt hat uns, dass diese Lösung am ehesten ein Stück Stadt darstellt,“ so Kuger.

Und wie sieht es aus, dieses Stück Stadt? Oliver Braun von A+R Architekten zeigt, wie sich bei der dichten Raumstruktur die Nutzungen übereinanderstapeln: Die Grundschule erhält ein Entree am Platz, Sonderflächen wie Mensa und Fachräume im Erdgeschoss und einen Pausenhof im 1. OG. Vier vertikale Kerne erschließen Wohnungen, die im 2. bis 6. OG. liegen und auf dem Dach der Grundschule einen eigenen Freibereich haben. Perspektivisch könnte, so hofft Braun, der Schulhof außerhalb der Unterrichtszeiten den Bewohnern geöffnet werden; durch die umliegenden Wohnungen ist eine soziale Kontrolle des Bereichs gegeben.

A+R Architekten, Stuttgart
A+R Architekten, Stuttgart

Schnell versus gut

Die Verwaltungsspitze des Dezernats für Schule und Bildung war der Einladung zum Gespräch nicht gefolgt; an der Diskussion nehmen Stefanie Ruffen (FDP), Vorsitzende des Bauausschusses, und Dr. Helge Schlieben (CDU) teil, Vorsitzender des Schulausschusses. Den derzeit verfolgten Ansatz beim Schulbau, die Beauftragung von General- und Totalunternehmern, sehen beide als alternativlos an: „Schulbaunotstand ist eine freundliche Umschreibung der Situation. Die nötigen Schulplätze zur Verfügung zu stellen, dies schafft die Verwaltung mit dem Prozess der freien Vergabe einfach nicht,“ sagt Ruffen. Rund 1000 Schulplätze fehlen allein an den Gesamtschulen, und diese in den nächsten fünf Jahren im Sinne der vorgestellten Projekte bereit zu stellen, hält auch Schlieben für nicht realisierbar.

Viele Kommunen suchen und finden Wege, Verwaltungsprozesse zu entschlacken. Dazu Stefan Kuger zu seinen Erfahrungen aus Frankfurt: „Beim Amt für Bauen und Immobilien hatten wir immer nur einen Ansprechpartner, der als Mentor die Prozesse bei der Stadt zusammenfasste. Aus unserer Sicht war das sehr lohnenswert.“ Aus dem Publikum meldet sich Gernot Schulz, Architekt BDA, zu Wort, der mit seinem Büro die Bildungslandschaft Altstadt Nord (BAN) in Köln realisiert hat: „Ich würde gerne eine Kommunikation aus der Architektenschaft heraus mit der Stadt Köln stattfinden lassen, wie sich Prozesse beschleunigen lassen.“ In einer anderen Kommune, so Schulz, stellt sein Büro gerade eine Schule vom doppelten Umfang der BAN in nur vier Jahren Planungs- und Bauzeit fertig.

Auf dem Podium herrscht durchaus Sympathie für den Vorschlag, das Notprogramm in reversiblen Strukturen aufzusetzen, also mit Containern bestehende Standorte zu verdichten, und die „Schulorte für morgen“ sorgfältig zu planen. Dafür plädiert auch Barbara Pampe, und sie warnt: „Sie verbauen sich sonst die Zukunft.“

Ira Scheibe