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82 zu 98!

10. März 2021

Am 06. März trat die konstituierenden Vertreterversammlung der Architektenkammer Nordrhein Westfahlen in der Messehalle-Mitte in Münster zusammen, um den Präsidenten, den Vorstand und sämtliche Gremien der AKNW und des Versorgungswerkes durch die entsprechend der Kammerwahlergebnisse bestimmten Vertreter der Verbände zu wählen. Wir freuen uns sehr, dass in diesem Rahmen auch die Vizepräsidentin Susanne Crayen, Architektin und Stadtplanerin BDA aus Bielefeld für die nächste Legislaturperiode von fünf Jahre wiedergewählt wurde.

Nach der Gastrede durch die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen, Ina Scharrenbach, stand als erster Wahldurchgang die mit Spannung erwartete Wahl des Kammerpräsidenten auf dem Programm. Neben dem derzeitigen Amtsinhaber, Dipl.-Ing Architekt Ernst Uhing, hatte der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten erst kurz zuvor den Architekten und Stadtplaner Prof. Juan Pablo Molestina als Kandidaten nominiert. Von den 183 Mitgliedern, die dem Ruf nach Münster gefolgt waren, stimmten 98 für den seit 7 Jahren amtierenden Präsidenten und bestätigten diesen somit im Amt. Die Tatsache, dass dem Herausforderer mit 82 Stimmen gerade mal neun fehlten, um die Wahl für sich zu entscheiden, mag überraschen. Denn als der aus Ecuador stammende Pablo Molestina an diesem sonnigen Samstagmorgen das Podium betrat, um in einer 15minütigen Rede seine Zielvorstellungen für die Zukunft der Architektenkammer darzulegen, musste er sich als Neuling in der Vertreterversammlung den meisten Mitgliedern zuallererst einmal vorstellen.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen

Foto ©Harald Wennemar

Der Wahlausgang von 98 zu 82 Stimmen ist ein deutliches Signal. Pablo Molestina bei der Rede zur Präsidentschaftswahl.

Um so mehr darf das ausgesprochen knappe Votum der Präsidentschaftswahl als ein deutliches Zeichen an den Gewinner gewertet werden. Dabei betonte Pablo Molestina schon im ersten Satz, dass von ihm „keine Kampfrede gegen den jetzigen Amtsinhaber“ zu erwarten sei und lobte die unbestrittene Qualität der bisherigen Kammerarbeit in allen rechtlichen und organisatorischen Belangen.

Worum es Pablo Molestina ging, ist die Erweiterung der Perspektive auf den Berufsstand und die baukulturellen Entwicklungen. Er beobachte eine „…stetige Erosion des gesellschaftlichen Standings der Architektur in NRW und darüber hinaus. Angefangen mit der fahrlässigen Schwächung der HOAI, über die intransparente Vergabe von Architekturaufträgen und den immer stärker werdenden Einfluss juristischer Prozesse auf unseren Beruf (oftmals ganz an den Inhalten vorbei), bis hin zu einer allgemeinen Fehlwahrnehmung des architektonischen Tuns in der Öffentlichkeit.“

Hinzu kämen die enormen Herausforderungen, denen sich Planer aller Disziplinen und Tätigkeitsarten stellen müssten. „Wir erleben unglaubliche technische Neuerungen! Es gibt den Willen, den Druck und die Mittel, Änderungen durchzusetzen. Wir können die geballte Kompetenz unseres Berufsstandes nutzen um diese ‚Once In A Lifetime Chance‘ zu ergreifen und eine reale und sinnfällige Transformation des Raums zu erwirken. Durch diese wird unser Ansehen und unser Können als Berufsgruppe in der Gesamtgesellschaft entscheidend gestärkt.“

Seiner Meinung nach gehe es um nicht weniger als die Verantwortung für die aktive Gestaltung der gesellschaftlichen, ökologischen und sozialen Zukunft, um „demografischen Wandel, Integration, bezahlbaren Wohnraum“ und „Identität“. Es gehe um „Digitalisierung und den Umgang mit Big Data“, um die „Verkehrswende“ und „die Entwicklung erneuerbarer Energiequellen“ und nicht zuletzt um „die zweite bautechnischen Revolution in der Baukonstruktion: die des nachhaltigen Bauens

 

Foto ©Harald Wennemar

Die BDA Spitzenkandidatin, die Bielefelder Architektin und Stadtplanerin Susanne Crayen, wurde in der Vertreterversammlung der AKNW in Münster als Vizepräsidentin bestätigt.

Stellung beziehen

All diesen Fragen könne die Architektenkammer ein Forum bieten, um „die Transformationsprozesse, die im Moment in der Politik und Wirtschaft zugange sind, stärker und transparenter zu steuern“ und „in Hinsicht auf die gesamtarchitektonischen Auswirkungen zu reflektieren.“ Ob es gelingt die beruflichen Kompetenzen und den Handlungsspielraum der Architektenschaft berufspolitisch und gesellschaftlich durchzusetzen, werde eben auch davon abhängen, wie intensiv, transparent und offen dieser Diskussionsprozess geführt werde.

So bezog Pablo Molestina klar Stellung zu Fragestellungen wie der Förderung von selbständigen kleinen und mittleren Büros, der Weichenstellung im Vergabesystem, Chancengleichheit für die Geschlechter, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der baukulturellen Vermittlung in den Schulen und der Weiterbildungsprogramme für Angestellte.

Um all diesen Herausforderungen gewachsen zu sein, verwies er auch auf die Organisationsstrukturen innerhalb der Architektenkammer und schlug vor, die Ressourcen der Vizepräsidenten, des Vorstands und der Ausschüsse stärker einzubinden. „Ein Programm, das auf eine ‚breite Basis‘ gelegt wird, kann zu effektiverer Umsetzung führen, indem die Kompetenzen und das Mitspracherecht von Allen in Anspruch genommen werden. Transparente Verwaltungsprozesse sind mitreißender für unsere Gemeinschaft und feuern das ‚Wir-Gefühl‘ an!“

Auch wenn der derzeitige Kammerpräsident im Amt bestätigt wurde, ist der Wahlausgang von 98 zu 82 Stimmen ein deutliches Signal. Es spricht dafür, dass viele Mitglieder der Vertreterversammlung Pablo Molestinas Hoffnung teilen, und seine in dieser Rede gesetzten Themen zukünftig stärker in die Ausrichtung der Kammerarbeit einfließen sollten. Damit die AKNW künftig neben ihrer „guten Rolle als Serviceprovider für ihre Mitglieder“ stärker als Forum der Förderung von Baukultur und der Kompetenz des Berufsstandes auftritt. „Nur so werden wir die ständige Erosion, die man bzgl. des Ansehens von Architekten in der Öffentlichkeit feststellen muss, in den Griff bekommen und den Prozess umkehren.“

 

Alle kursiv gesetzten Textpassagen sind der Originalrede von Pablo Molestina vom 6. März entnommen.

BDA Landesverband NRW